
Was wir tun
Der Anlass – 25 Jahre hospizliches Engagement in
Deutschland und in NRW
Wir sind hauptamtliche und ehrenamtliche Mitarbeitende der Hospizbewegung am Universitätsklinikum in Essen und möchten Menschen anregen, über ihre Lebensgeschichte zu erzählen und prägende Erlebnisse, Leistungen und Botschaften aus ihrem Leben zu finden, auf die sie stolz sind, die sie weitergeben würden, von denen sie hoffen, dass andere sich später daran erinnern.
Würde und Lebensbilanz
Angeregt wurden wir durch eine Begegnung mit Dr. Harvey Max Chochinov, er berichtete von seinen Lebenserfahrungen und Erkenntnissen. Als kanadischer Psychiater hat Dr. Harvey Max Chochinov das Bedürfnis der biographischen Bilanzierung und Sinnfindung untersucht und aus seinen Erkenntnissen die Dignity Therapy (Würdezentrierte Therapie) entwickelt. Diese Methode belegt, dass das Nachdenken und Berichten über die persönliche Lebensleistung und über individuelle Erkenntnisse das Würdegefühl vor allem von schwer erkrankten Menschen stärkt.
Den Löffel abgeben – Der Blick zurück und in die Zukunft
Die alte deutsche Redewendung „Den Löffel abgeben“ hat einen ernsten und klugen Hintergrund, sie umschreibt das Bedürfnis der Weitergabe von Erfahrung, Weisheit und Verantwortung. Gemeint ist der stolze Blick zurück auf das Geleistete und die Hoffnung auf die Weiterführung und Weiterentwicklung des Bestehenden in der Zukunft. Es geht um Erlebnisse und Geschichten, die Ihnen persönlich wichtig sind.
Unter der Schirmherrschaft des Deutschen Hospiz- und PalliativVerbandes und des Hospiz- und PalliativVerbandes NRW im 25. Jubiläumsjahr beider Verbände starten wir mit der Sammlung von Lebensgeschichten. Unser Projekt wird unterstützt durch die Joseph-Senker-Stiftung.
„Wenn ich meinen Löffel abgeben muss… Worauf bin ich stolz, was will ich als Botschaft hinterlassen?“
Ganz bewusst fragen wir nach dem, was Kraft und Selbstvertrauen schenkt, weil es bereits geleistet wurde. Der Fokus liegt auf den vielen, vielleicht oft unsichtbaren und ungenannten Dingen, die wir alle in unserem Leben bewirken, für uns selbst und für andere.
Spätestens, wenn wir als HospizlerInnen mit Menschen sprechen, die mit der Diagnose einer schweren und eventuell lebensbedrohlichen Erkrankung konfrontiert sind, beginnen wir gemeinsam auch über das bisherige Leben nachzudenken. Wir fragen nach dem Sinn unseres Daseins und was wohl später erinnert wird, wenn andere an uns denken. Wir bilanzieren und überlegen, welche Spuren wir hinterlassen werden. Wir möchten Sie motivieren, auch schon ohne lebensbedrohliche Erkrankung auf Ihr bisheriges Leben zu blicken und Erkenntnisse und Geschichten zu finden, die Sie stolz machen.

Wenn ich morgen sterben müsste, worauf würde ich zufrieden und stolz zurückblicken in meinem Leben? Was würde ich – könnte man die Zeit zurückdrehen – ganz genauso noch einmal tun? Welche Botschaft oder Erkenntnis möchte ich weitergeben? Woran sollen sich die anderen erinnern, wenn sie an mich denken?
Grundlagen und Inspiration
„Gespräche im Sinne eines Lebensrückblicks, Fragen, die das Selbstwertgefühl des Patienten stärken sollen, die Wertschätzung zum Ausdruck bringen, gehören zweifellos zum selbstverständlichen kommunikativen Repertoire jedes in der Palliativversorgung Tätigen. Das Besondere der Würdezentrierten Therapie liegt in der gewissermaßen kondensierten schriftlich niedergelegten Form dieses Lebensrückblicks, der gleichzeitig auch eine Art Vermächtnis ist.“
(Prof. Dr. Martin Weber, Abteilung für Interdisziplinäre Palliativmedizin – III. Medizinische Klinik, Universitätsmedizin Mainz in seinem Geleitwort zum im September 2017 in deutscher Sprache erschienenen Buch: Chochinov, Harvey Max. Würdezentrierte Therapie: Was bleibt – Erinnerungen am Ende des Lebens (German Edition) (Kindle-Positionen 144-145). Vandenhoeck & Ruprecht. Kindle-Version.)
„Das, worauf wir im Allgemeinen stolz sind, spiegelt das Bild wider, das andere von uns kennen oder haben sollen. Es kann sich in Form von Leistungen, Titeln, Werdegang, Weltanschauung, persönlichem Stil, besonderen Merkmalen, Talenten oder Fähigkeiten ausdrücken. Dies sind Charakteristika, die uns von anderen unterscheiden und uns zu den Personen machen, die wir sind, oder genau genommen: wie wir gesehen oder gekannt werden wollen.“
(Kapitel: Das Modell zu Würde bei unheilbarer Erkrankung (Kindle-Positionen 668-671), ebd.)
„Die existenzielle Bedrohung des sich nähernden Todes wirft viele Fragen auf: Welche Bedeutung hat mein Dasein? Welchen Beitrag hat mein Leben geleistet? Und als eine drängende Frage: Wenn ich nicht mehr bin, welchen Unterschied wird mein Leben gemacht haben?“
(Kapitel: Das Modell zu Würde bei unheilbarer Erkrankung (Kindle-Positionen 637-639), ebd.)
Drei Zitate aus dem im September 2017 erschienenen deutschsprachigen Buch: Würdezentrierte Therapie: Was bleibt – Erinnerungen am Ende des Lebens, das die Dignity Therapy von Harvey M. Chochinov in die deutsche Sprache übersetzt. Das Buch ist im Handel unter der ISBN: 978-525-40289-4 erhältlich.
Das Kultur-Projekt: „Worauf ich stolz bin…Ich gebe meinen Löffel ab.“ ist natürlich selbst keine Therapie oder therapeutische Intervention, aber die in der Würdezentrierten Therapie u.a. verwendeten Fragen und Aspekte (Stolz und Hinterlassenschaft) haben uns inspiriert, mit Menschen ins Gespräch zu kommen und sie nach Erlebnissen und Erfahrungen aus ihrem Leben zu fragen. Dabei richten wir uns sowohl an Menschen, die gerade selbst von schwerer Krankheit und nahendem Tod betroffen sind, als auch an Menschen, die momentan gar nicht mit einer solchen Bedrohung konfrontiert und gesund sind.
Die zweite Inspiration liefert die alte Redewendung: „Den Löffel abgeben“. Der zunächst vielleicht etwas salopp anmutende umgangssprachliche Ausdruck für das Sterben hat einen ernsten und bedeutsamen Hintergrund.
Es gibt verschiedene kulturelle und historische Bedeutungen und Deutungen zur Herkunft der Redewendung:
- Im Mittelalter war mit der Abgabe des Löffels, wenn das bisherige Familienoberhaupt sich zu alt oder krank fühlte, um allein die Geschäfte des Hofes zu bestellen, auch die Übergabe der Verantwortung für die Familie verbunden. Der Löffel war kein völlig normaler Haushaltsgegenstand, wie in heutiger Zeit, er war wertvoller, persönlicher Besitz. Jeder führte seinen persönlichen Löffel mit sich, dessen Ausgestaltung durchaus auch als Statussymbol gedeutet wurde (je nach Verzierung und Material). War man in einem fremden Haus zum Essen eingeladen, so aß man mit seinem eigenen, persönlichen Löffel. In vielen Fällen handelte es sich nur um ein grob geschnitztes Exemplar aus Holz. Besser gestellte Familien(oberhäupter) besaßen ein gutes Stück aus Eisen, Zinn oder sogar Silber. Neben dem Löffel gab es keine Messer und Gabeln, diese Besteckteile kamen erst viel später auf. Im Mittelalter galt die Gabel als Instrument des Teufels und war als Esswerkzeug verpönt. So wurde der Löffel richtiggehend zum Erbstück. Und wenn jemand – im Normalfall sicher der älteste Sohn – einen solchen Löffel vermacht bekam, bedeutete dies der Logik gemäß, dass sein Vorbesitzer ihn abgegeben hatte, also gestorben war bzw. als Familienoberhaupt zurücktrat.
- Wenn die Bäuerin in die Jahre gekommen war und sich zur Ruhe setzte, wurden ihre Kochlöffel an die junge Bauersfrau, in der Regel die Schwiegertochter, abgegeben. So ist die alte Bäuerin auch symbolisch von ihrer Position als Hofherrin zurückgetreten und hat diesen Platz der jüngeren Generation überlassen.
- Im Schwarzwald bekamen die Knechte von Bauern für die Dauer ihres Dienstes auf dem Hof einen Löffel geliehen, den sie wieder abgeben mussten, wenn sie weiterzogen. Dort gab es auch den Brauch, dass die Löffel von verstorbenen Bauern nicht von anderen Menschen benutzt, sondern als Erinnerung an die Wand des Bauernhauses genagelt wurden.
- „Er hat den Löffel abgegeben (hingelegt, weggeworfen, fallen gelassen)“ wird seit dem 19. Jh. als Umschreibung verwendet, wenn jemand gestorben ist.
- Mit der Aufnahme von Nahrung wird seit jeher auch verbunden, dass ein Mensch lebendig ist. Wenn ein Mensch nicht mehr isst, ist er nicht mehr.
Ziele unserer Arbeit
- Warum erst sterben müssen müssen, bevor man sich liebevoll und wertschätzend mit seiner eigenen Biographie auseinandersetzt und rückblickend Erlebnisse und Erfahrungen identifiziert, die stolz, dankbar und zufrieden machen, die gut gelungen sind und die wir noch einmal genauso machen würden. Wir möchten Menschen mit dem Projekt anregen, dies zu tun, unabhängig davon, ob sie krank sind oder gesund. Eine kleine positive Zwischenbilanz zu ziehen, kann gut tun. Das Projekt bietet die Möglichkeit, die Erkenntnisse aus dieser (Zwischen-)Bilanz mit anderen Menschen zu teilen.
- Jeder von uns kann ganz schnell selbst in die Situation geraten, unheilbar krank zu werden oder durch einen Unfall ganz plötzlich mit der eigenen Vergänglichkeit konfrontiert zu sein. Mit dem Projekt möchten wir die Menschen dafür sensibilisieren. Wir möchten aber nicht mit dem Zeigefinger warnen, dass man jederzeit sterben kann. Vielmehr möchten wir mit diesem Projekt das Leben als einzigartiges Geschenk betonen und die Individualität und den hohen Wert eines jeden Einzelnen würdigen.
- Der Kern der Hospizarbeit sind die Gespräche, die wir mit den schwerkranken und sterbenden Menschen und deren Angehörigen führen, in diesen Gesprächen ist die Wertschätzung der eigenen Lebenserfahrung häufiges Thema. Mit dem Projekt möchten wir allen Menschen einen kleinen Einblick in die Arbeit der in der Hospizbewegung engagierten Menschen geben. In unserer Arbeit geht es auch –das wollen wir nicht verleugnen – um das gemeinsame Aushalten und Verarbeiten der Tatsache des bevorstehenden Todes, aber es geht immer um das Leben, denn das Sterben ist ja Teil des Lebens.
- Hospizarbeit ist ein Thema, mit dem viele Menschen sich erst beschäftigen möchten, wenn sie direkt selbst oder als Angehörige betroffen sind. Es ist uns wichtig, dass wir in öffentlichen Veranstaltungen und zu verschiedenen Anlässen auf die Arbeit der Hospizbewegung aufmerksam machen können, ohne die Menschen zu erschrecken, die vielleicht beim Wort „Hospiz“ oder bei den Themen „Sterben, Tod und Trauer“ Ängste empfinden, denen sie lieber ausweichen möchten. Das Projekt soll Hospizdiensten und hospizlichen Einrichtungen als Möglichkeit zur Öffentlichkeitsarbeit dienen. Nach dem Start des Projektes können die vorhandenen Layouts für Werbemittel des Projektes und letztlich auch diese Internetseite als Plattform für eigene Veranstaltungen genutzt werden, um die Arbeit in der Hospizbewegung vorzustellen. Das Projekt kann als Teil des Befähigungskurses für ehrenamtliche HospizmitarbeiterInnen verwendet werden oder als Möglichkeit zum Gespräch mit Begleiteten oder deren Angehörigen.
Wir danken allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die dieses Projekt mit einer persönlichen Geschichte und Botschaft bereichern!