
Frau L
Pflegewissenschaftlerin, NRW
Meine Botschaft
„Was ich damit weitergeben möchte ist, es lohnt sich Grenzen zu überschreiten und das, was man ändern kann anzupacken und zu verändern. Dabei gibt es auch die Erfahrung, dass, was man nicht ändern kann, zu lassen, wie es ist.“
Meine Geschichte
Mit Stolz kann ich sagen, dass ich im Beruf erfolgreich war…
Wenn ich meinen Löffel abgeben muss…
Was möchte ich erinnert wissen, was hinterlassen?
Mit dieser Frage, etwas abgewandelt, habe ich mich schon häufiger befasst. Die Redewendung „den Löffel abgeben“ kommt mir etwas befremdlich vor, dennoch werde ich einen Rückblick wagen.
Wenn ich in meinem Leben zurückgehe, überkommt mich eine Dankbarkeit für das, was mir widerfahren ist, welche Erfahrungen ich machen durfte und wie viele Menschen mir begegnet sind.
Als Kind einer Arbeiterfamilie bin ich meinen Eltern und Großeltern dankbar dafür, dass sie immer an mich geglaubt haben und mich in meiner Entwicklung unterstützt haben. Sport, Musik und Literatur sind von Anfang an meine Wegbegleiter. Ich war und bin eine gute Schwimmerin und habe sehr lange aktiv Volleyball gespielt. Gut, ich habe keine Meistertitel errungen, aber es hat immer Spaß gemacht. In der Familie wurde musiziert, gesungen und getanzt. Die 60ger Jahre, von den Beatles bis zu den Rolling Stones und vielen anderen, haben mich bis heute musikalisch geprägt.
Heute gehe ich sehr gerne in die Oper und lasse mich von Ballett und Tanzaufführungen inspirieren. Genauso gerne besuche ich auch Rockkonzerte. Dieses Gefühl für die Musik habe ich auch an meine Kinder und Enkelkinder weitergegeben.
Nach meinem Abschluss in der Realschule bin ich über die Elektrotechnik zum Beruf der Krankenschwester gekommen. Ich bin froh, dass ich das gemacht habe. Mit Stolz kann ich sagen, dass ich im Beruf erfolgreich war. Dazu aber später.
Seit über 40 Jahren bin ich verheiratet. Mein Mann und ich haben zwei erwachsene Töchter und drei entzückende Enkelkinder. Ich behaupte, wir haben uns immer ergänzt und gegenseitig geholfen. Es gab Höhen und Tiefen, aber zusammen konnten wir uns weiterentwickeln. Worauf ich mit Stolz blicke und was ich gerne erzähle und als Rat und Erfahrung weitergeben möchte, ist die Einigkeit, mit der wir uns für das Reisen entschieden haben. Unsere Hobbys, im Winter Skilaufen, im Sommer segeln und wandern, haben mir sehr viele schöne Erinnerungen, neue Freundschaften und Kinderlachen beschert. Dass Reisen bildet, kann ich nur unterstreichen. Es öffnet die Augen und nimmt die Angst vor dem Fremden. Neues entdecken und innehalten erweitert die Sinne und lässt den grauen Alltag heiter erscheinen. Ich denke, das hat auch meine Kinder geprägt.
Trotz der Doppelbelastung, auch mit den zwei Kindern, habe ich immer im Beruf gestanden, wenn auch dann nur noch halbe Tage. Was sind aber in der Pflege schon halbe Tage. Das durchzuhalten ist wiederum nur möglich, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen. Gegenseitige Rücksichtnahme, Akzeptanz, Vertrauen und Kompromissbereitschaft sind die Basis unserer langen Ehe.
Jetzt, wo ich in Rente bin, kann ich sagen, das Richtige gemacht zu haben. In der Situation steckend war ich eine Zeit etwas hilflos. Als mein damaliger Arbeitgeber von oben herab eine Neuordnung der Strukturen durchgesetzt hat, kam der Punkt, an dem ich mich entscheiden musste. Weiterhin mit Bauchschmerzen und Wut im Bauch durchzuhalten, oder einen Neuanfang wagen.
Ich war ja gerne Krankenschwester, aber die direkte Pflege ist schon ein Knochenjob, den ich nicht bis heute durchgehalten hätte. Also ging ich wieder zur Schule, machte meine Fachhochschulreife und bewarb mich in Witten Herdecke zum Pflegestudium. Welch eine Herausforderung. Ich bin angenommen worden und habe durchgehalten bis zum Bachelor of Science in Nursing. Wieder einmal war meine Familie auf meiner Seite und die Unterstützung die ich bekam hat mich geleitet. Es war nicht einfach mit dem Abschluss des Studiums wieder in den Beruf zurück zu finden. Keiner hat auf eine studierte Krankenschwester gewartet. Die meisten Arbeitgeber hatten Vorurteile und wussten mit mir nichts anzufangen. Da hieß es wieder mal Geduld haben und abwarten. Ich war in der privilegierten Situation, Unterstützung durch meinen Mann zu bekommen.
Schließlich bekam ich eine Anstellung bei der Stadt im Gesundheitsamt in der Heimaufsicht. Verwaltung stieß auf Krankenschwester. Büro stieß auf Pflegepraxis. Ganz ehrlich, es hat mich erschreckt. Ich hatte mir nicht vorstellen können auf welche Unterschiede, welches Unwissen und welche Ignoranz ich bei einigen Menschen treffen würde. Doch die Erkenntnisse und Einsichten aus den Alten- und Pflegeheimen haben mich angestachelt den Altenpflegekräften in den Einrichtungen der Pflege die Anerkennung zu geben, die ihnen zustand. Dazu hatte ich während meiner Dienstzeit mehrfach Gelegenheit. Erst einmal erklärte ich meinem Verwaltungschef, was Pflege mit Gesundheit zu tun hat. Er hatte die Auffassung, dass Pflege nichts mit Gesundheit zu tun hat. Dann bekam ich die Chance, an einer Handlungsempfehlung Pflege für die Stadt mitzuarbeiten. Darin befand sich auch das Handlungsfeld Palliativmedizin und -pflege.
Seit 2005 arbeite ich im Netzwerk Palliativmedizin und habe den Arbeitskreis Palliativ- und Hospizarbeit in der stationären Altenpflege als Moderatorin in all den Jahren begleitet und zusammengehalten. Die Handlungsempfehlungen „Hospizkultur und Palliativversorgung in der stationären Altenpflege“ sind über die Grenzen meiner Heimatstadt als eine Empfehlung in der Palliativarbeit der stationären Altenpflege anerkannt. Sie sind praxisbezogen für den Pflegealltag gedacht. Die Themen sind bis heute noch nicht ausgegangen und der Arbeitskreis wird weiter bestehen. Die Unterstützung der Teilnehmer aus dem Arbeitskreis war mir gewiss, denn ohne die Hilfe und Treue hätte ich die Aufgaben nicht bewältigen können.
Durch den intensiven Kontakt mit den Pflegeeinrichtungen ist meine Hochachtung vor der Leistung der Pflegekräfte intensiviert worden und das Thema Sterben in Würde auch im hohen Alter hat mir gezeigt, wie weit wir noch von den Idealen entfernt sind. Ich möchte mich nochmals bedanken und bin voller Freude, wenn ich an meine Verabschiedung aus dem Dienst denke. Die Anerkennung, Freundschaft und Hochachtung hat mich überwältigt. Es hat mir gezeigt, dass ich wohl vieles richtig gemacht habe und einiges von mir in Erinnerung bleibt, auf das ich sehr gerne zurückblicke.
Obwohl ich nicht weiß, ob „Stolz“ das richtige Wort ist, so weiß ich doch, dass ich das niemals alleine geschafft hätte.
Danke.